(Archiv: 21. August 2006)
Ein Mann der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: „Sie haben sich aber gar nicht verändert.“ „Oh“, sagte Herr Keuner und erbleichte.
Frei nach Brecht hat es über Jahre bei der WAZ kein Erbleichen gegeben. Denn erstens veränderte sich tatsächlich kaum etwas und zweitens störte das keinen.
Wir sind Zeitungs-Journalisten und werden es auch ad infinitum bleiben, lautete die Devise. So wurde der Versuch, 1997/98 die Plattform Cityweb mit journalistischem Content zu füllen, eher milde von den Print-Kollegen belächelt. Und als das Experiment, aus welchen Gründen auch immer, eingestellt wurde, hörten die aus dem WWW an den Zeitungs-Schreibtisch zurückkehrenden Kollegen nur ein hämisches „Siehste!“
Jetzt geht das mit dem Internet schon wieder los... und sorgt diesmal für Aufregung in den Redaktionen. Da sind zum einen die Bedenkenträger: „Wir graben uns doch selbst das Wasser ab. Was hat die ganze Bloggerei mit Journalismus zu tun? Wen wollen wir damit denn erreichen?“ So dachte offensichtlich auch der Päsident des frischgebackenen Fußball-Zweitligisten Rot-Weiß Essen. Das Angebot, als Blogger bei der WAZ den Fans (und als MdB seinen Wählern) näher zu kommen, lehnte er strikt ab: „Kein Bedarf!“
Doch die Front weicht auf. Außer dem Kollegen „ber“ gibt es immer mehr WAZler die selbst einmal das Internet anwerfen und auf die Reise durch die Bloggosphäre gehen. „Da kann ja doch was dran sein. Vielleicht können wir so zeitungsferne Schichten erreichen. Die Schnelligkeit des Mediums hat etwas für sich.“ Auch vor dem angekündigten Besuch von Lyssa in der Redaktion gibt es immer mehr Kollegen, die sich ernsthafte Gedanken machen, auch wenn sie mit dem Begriff web2.0 noch nicht allzu viel anfangen können.
Trotz langjähriger Erfahrungen mit der WAZ-Hierarchie, besann sich jetzt ein Lokalredakteur auf sein Handwerkszeug, wartete keine hausinterne Pressemitteilung ab, sondern stiefelte direkt in die zweite Etage, klopfte an die Tür mit dem frischen Namensschild K. Borchert – und wurde prompt vorgelassen. Aus dem erwarteten kurzen Gespräch (oder dem befürchteten schnelle Rauswurf) wurden lehrreiche (das beteuert der Kollege jedenfalls) eineinhalb Stunden.
Allein schon die Tatsache, dass das Print-Fußvolk (zumindest in diesem Fall) ohne langwierige Prozedur bis zu den Schaltstellen der Online-Macht vordringen kann, zeigt einen Trend zum Wandel. Hoffentlich setzt sich dieser Stil durch.
„Sie haben sich aber gar nicht verändert...“ Vielleicht doch – ein kleines bisschen.
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