Dienstag, 8. Mai 2007

Druck aus dem Netz

(Archiv 6. August 2006)

Es ist schon verwunderlich. Da wird die WAZ jahrelang als große Zeitung mit mäßiger Qualität eher mitleidig belächelt. Die großen Star-Journalisten sprechen allenfalls in Nebensätzen von einem Provinzblatt.
Und das große weltweite Dorf? Die ach so avantgardistischen Foren-Helden und Blog-Cracks nehmen die zaghaften Online-Versuche des Print-Riesen mit dem Zwergen-Renomee überhaupt nicht wahr. Gar nicht ignorieren! lautet die Devise.
Dann geschieht das unfassbare, die Manager des biederen Rendite-Krösus kaufen nicht nur eine Rei(t)z-Figur mit Online-Faible für den Printbereich ein, nein, für die Netz-Aktivitäten wird eine Blogger-Ikone mit Kanzlerinnen-Zutritt (Lyssa) fest engagiert. Und die hält noch vor Vertragsbeginn mit einigen Häuptlingen aus dem deutschen Blog-Dorf auch gleich ein strategisches Palaver ab.
Und nun steht die gute alte WAZ plötzlich im Mittelpunkt des Interesses. Kein renommierter Medien-Blogger, der auf sich hält, erspart sich einen Kommentar. Dieser Wirbel wird auch genutzt, um die ersten zaghaften Blog-Versuche einiger mutige Print-Journalisten aus dem Lokalbereich der absoluten Lächerlichkeit preiszugeben.
Da zeigt sich ein gravierender Unterschied zwischen seriösem Print-Journalismus (auch wenn er langweilig erscheint) und der nur auf den ersten Blick kompetenten medienkritischen Blogger-Szene. Im Printbereich sollte zumindest eine rudimentäre Kenntnis des Berichtsgegenstandes vorhanden sein, Blogger können munter drauflos fabulieren.
Im konkreten Fall hat sich keiner der Kritiker schlau darüber gemacht, wie und unter welchen Bedingungen konkret in der Essener Lokalredaktion die ersten Blogs enstanden. Warum auch informieren, ohne Fakten formuliert es sich viel schöner, besonders von Blog-Ästheten, die den staunenden Claqueuren ganz beiläufig mitteilen, welche beeindruckende Festmeterzahl ihre Privatbibliothek habe. Was sind da schon Blog unerfahrene Fuzzies aus einer WAZ-Lokalredaktion, die auch noch Emoticons einsetzen?
Welch ein Glück, dass die meisten Print-Redakteure und der Großteil der Leser überhaupt nicht mitbekommen, wie man plötzlich in den Fokus einer weltweiten Minderheit geraten kann.
Bis vor wenigen Wochen war mir die Bloggerei allenfalls aus bildblog bekannt, meine Welt ist noch imme das gedruckte Wort. Aber wenn schon meine WAZ-Kollegen ins Kreuzfeuer der online-Kritik geraten sind, will ich das Feld nicht nur den Outsidern überlassen. Noch kenne ich die Online-Chefredakteurin nur aus ihrer lounge. Ich bin gespannt, wie sie die Print-Kollegen mit auf die Reise in die Blogosphäre nimmt.
Dazu bestimmt demnächst mehr...

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