Dienstag, 8. Mai 2007

Das ultimative Interview - Mein lieber Schwan

(Archiv: 28. August 2006)

Interviews gehören für einen Zeitungs-Redakteur zum alltäglichen Leben. Mit wievielen Fragen ich bisher meine Gesprächspartner genervt habe, weiß ich schon nicht mehr. Um so spannender ist es, wenn man selbst zum Objekt der Wissbegierde wird.
So ist es mir jetzt gegangen, Ben Schwan hat sich Im Mediendschungel an mich herangemacht. Die Fragen sind, so mein Eindruck, als Provokation gedacht sicher investigativ gemeint. Hier der Wortlaut: (Ich konnte es nicht lassen, das ganze auch hier zu bringen, sorry Ben!)

(Aktuelle Anmerkung: Ben Schwan hat seinen Mediendschungel inzwischen abgeschaltet)

Im Mediendschungel: Zuerst einmal die wichtigste aller Fragen - warum glaubst Du, antwortet Katharina "Lyssa" Borchert diesem wunderbaren Weblog nicht? Nerve ich einfach zu sehr? Hat Sie Angst vor den bohrenden Fragen?

WAZsolls: Ich glaube an die einige katholische...Warum wer wem antwortet (zu früh, zu spät oder gar nicht) ist sicher keine Glaubensfrage. Da ich aus verständlichen Gründen Lyssa dazu nicht befragen werde, kann ich nur sagen: Ich weiß es nicht. Aber da Glauben bekanntlich Berge versetzt, lass uns glauben, dass sie bald antwortet.

Im Mediendschungel: Wenn Du uns in einigen Sätzen erläutern könntest, wie die ersten Wochen unter Frau Borchert aussahen, wären wir Dir sehr verbunden.

WAZsolls: Wie es unter Frau Borchert aussah...entzieht sich meiner Kenntnis, mein Redaktionsbüro liegt über ihr. Aber im ernst, für die Print-Kollegen hat sich nichts geändert, unser Chef heißt weiterhin Ulrich Reitz. In Kontakt kamen bisher nur die bloggenden Kollegen, die von ihr aufmunternde Mails erhielten.

Im Mediendschungel: Warst Du positiv überrascht von so viel
jugendicher Energie? Oder merkt man, dass Ihr Papa der langweilige Ex-Landwirtschaftsminister Borchert ist?

WAZsolls: Langweiliger Vater? Ich hab den mal in Wattenscheid im Wahlkampf erlebt und kann nur sagen, auch bodenständige Landwirte sind nicht ganz ohne. Aber wie ich schon in meinem Blog erwähnte, geht Frau Borchert erfrischend unkonventionell mit Hierarchien um. Wenn sie nicht gerade im Konzern unterwegs ist, kann man ohne einen Sekretariats-Zerberus überwinden zu müssen, einfach mal bei ihr anklopfen.

Im Mediendschungel: Hast Du verstanden, was Euer Management konkret mit der altehrwürdigen WAZ vor hat? Meinst Du, dass es von Frau Borchert verstanden wird?

WAZsolls: Weiß den wirklich einer so genau, wie und wohin sich der Mediendschungel und web2.0 entwickeln werden? Was die WAZ betrifft: Ich konnte noch nicht verstehen, was unser Management vorhat, da es mich (wie üblich) nicht in seine Pläne eingeweiht hat. Bei Frau Borchert gehe ich von der Hypothese aus, dass sie im Online-Bereich das Konzept vorgibt und, wenn das Management es gutheißt, es auch zu realisieren versucht.

Im Mediendschungel: Haben Du und Deine Kollegen Angst vor dem, was da kommen könnte? Wäre es eine Gemeinheit, zu behaupten, dass dieser ganze New Media-Kram vor allem dazu dient, altgediente Redakteure
loszuwerden?

WAZsolls: Zu Frage 1: Bei allem Neuen gibt es Vorbehalte. Ängste bereiten eher die allgemein bei Tageszeitungen zurückgehenden Auflagenzahlen.
Zu Frage 2: Ja (Gemeinheit)

Im Mediendschungel: Passen lokale Inhalte und diese trendigen Blog-Sachen zusammen? Es kommt mir etwas weit hergeholt vor, dass Tageszeitungsleserin Erna E. nun Online-Tagebücher kommentieren.

WAZsolls: Was ist an lokalen Inhalten nicht trendy? Auch im Lokal-Bereich werden nur noch selten Brieftauben eingesetzt, selbst eine Lokalredaktion nutzt Computer und E-Mails. Ob Erna E. (79?) nun Blogs (Online-Tagebücher??) kommentiert, mag vielleicht etwas weit hergeholt sein, aber warum sollte Timo H. (26) nicht in die Tasten greifen?

Im Mediendschungel: Die ersten Blog-Versuche seitens der WAZ waren jedoch, mit Verlaub, eher sehr merkwürdig. Wie kamen die zustande? Ist es jetzt besser?

WAZsolls: Merkwürdig mögen die Versuche aus der Sicht alter Blog-Hasen vielleicht gewesen sein, aber ich finde dass sich Kollege Kassner (auf den Du sicher anspielst) doch gut eingebloggt hat. Wie es zu seinem Blog kam, hat er selbst beschrieben. Alles ist (fast) wahr. Inzwischen hat sich (trotz der Verriss-Erfahrungen von „ber“) noch ein weiterer Kollege von mir in die Blog-Welt gewagt. Ob das jetzt besser ist, soll das Publikum (nicht nur die Fachwelt) entscheiden. (Der Lokalchef läuft mit seinen aus dem Print übertragenen Samstagskommentaren außer Konkurrenz.)

Im Mediendschungel: Wie machen sich Lokalredakteure überhaupt als Blogger? Passt das zusammen?

WAZsolls: Da fragst Du den Richtigen, für mich passt das zusammen.

Im Mediendschungel: Haben Du und Deine Kollegen Respekt vor Frau Borchert? Immerhin ist sie von 0 (Bloggerin) auf 100 (Online-Chefredakteuse) geschossen, ohne großartig berühmte journalistische Zwischenstationen.

WAZsolls: Alle Kollegen, die schon einmal Ausflüge in die Blogosphäre gemacht haben (es sind inzwischen einige), wissen, dass Lyssa eine der Großen (nicht nur wegen der Klickzahlen) der Szene ist. Daher: Respekt. Journalismus und Bloggerei, bloggende Journalisten, sich als Journalisten aufspielende Blogger ... ein immerwährendes Diskussionsthema. Aber zu dem worauf Du hinauswillst: Sollte stattdessen ein preisgekrönter Journalist ohne Web-Erfahrung den Online-Auftritt einer Zeitung stemmen?

Im Mediendschungel: Wie fandet Ihr das Lyssa-Kanzler-Interview? Lustig? Oder eher disqualifizierend?

WAZsolls: Das hängt vom Standpunkt des Betrachters und seiner Haltung zu Angela ab. Ich habe mich amüsiert!

Im Mediendschungel: Wie sieht die WAZ in zehn Jahren aus? Ist sie dann printtechnisch eingestellt, komplett online? Oder ist das Käse?

WAZsolls: Da muss ich mal einen Blick in meine Glaskugel werfen: Ich sehe große Stapel bedruckten Papiers, die fleißige Helfer in aller Herrgottsfrühe vor die Haustüren legen. Nach der ersten Lektüre werden die Menschen ihre Rechner anwerfen und die gelesenen Geschichten im Online-Portal der WAZ direkt kommentieren...Jetzt wird das Bild in der Glaskugel etwas verschwommen. Doch ja, jetzt sehe ich die WAZ-Kunden, wie sie ein Video-Interview, das Lyssa anlässlich der dritten Amtsperiode der Kanzlerin Merkel aufgenommen hat, auf ihre Ipods herunterladen.

Im Mediendschungel: Ihr seid Inhaltespezialisten, Ihr wisst wie Ihr schreibt, wie man recherchiert und ordentliche journalistische Arbeit macht. Das sind Kernkompetenzen, die sich auch 1:1 auf das Internet übertragen lassen, ohne dass man irgendwelche Blogs, Web 2.0-Hypes oder ähnliches benötigt. Wäre es da nicht das natürlichste, einfach jemanden aus der eigenen Mitte zu bestimmen, der dieses Internet-Ding stemmt?

WAZsolls: Klar doch, so sollten wir es machen. Was soll das ganze Internet-Ding überhaupt? Wo schreibe ich hier eigentlich...? Was gehen mich neue Entwicklungen an, wir haben es immer so gemacht und dabei bleibt es (in einem Video-Interview wäre jetzt ein ironisches Grinsen des Befragten im Bild)

Im Mediendschungel: Wie kam der Dialog, der über das WAZ-Projekt in den Blogs lief, in der Redaktion an? Wird sowas überhaupt mitbekommen? Wie ich höre, bloggst Du ja inzwischen (privat) auch selbst.

WAZsolls: Wir haben es mit Interesse und Amüsement verfolgt. Wann wird man schon einmal selbst zum Thema? Das erfreut den eitlen Journalisten. Zum privaten Blog: Du hast richtig gehört.

Im Mediendschungel: Um mal kurz weg vom Internet zu schwenken - was hälst Du von der allgemeinen Medienkonzentration in NRW besonders durch die WAZ-Gruppe? Ist das noch gesund? Oder sowieso wurscht, weil
immer weniger Leute Zeitung lesen?

WAZsolls: Das ist eine Grundsatzfrage, die sich nicht in einem kurzen Interview beantworten lässt. Als gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer sehe ich alles, was Arbeitsplätze gefährdet, mit Sorge. Als Zeitungsleser bin ich an Medienvielfalt interessiert, als WAZsolls hoffe ich auf sichere Redakteursstellen.

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