Montag, 14. Mai 2007

Keine Schleichwerbung

Warum habt ihr das gemacht? Ist da in der letzten Zeit etwas schief gelaufen?

Diese Fragen muss man sich als Journalist bei der WAZ-Gruppe in den letzten Tagen oft gefallen lassen, wenn das Gespräch auf den mit großem Tamtam in die Welt posaunten „Verhaltenskodex“ für die Zeitungen der Gruppe kommt.


Großer Bahnhof (Bild geklaut vom Pottblog) in der Essener Philharmonie: Vertreter der Eigner-Familien, Chefredakteure und sogar der Betriebsrat waren angetreten, um vor den Augen der „(Welt-)Öffentlichkeit“ das vierseitige Vertragswerk zu unterzeichnen.

Mit zahllosen Rundmails wurden wir Redakteure aufgefordert, uns den Kodex aus dem Intranet herunterzuladen und sorgfältig zu studieren.

„Na und“ ist der meistgehörte Kommentar im Kollegenkreis „diese Regeln sind doch eine Selbstverständlichkeit, das ist doch nicht neu!“

Einmal abgesehen von Details zu Pressereisen, die wohl eher dem Reiseteil und den Autotestern Kopfschmerzen bereiten dürften, hat der Rummel um den Kodex für den einfachen Lokal-Redakteur an der Front eher positive Auswirkungen:

Den immer wieder von Medienberatern (so nennen sich heute Anzeigenvertreter) unternommenen Versuche, ihren Anzeigen-Kunden einmal ein paar Zeilen zu widmen („Der inseriert doch immer bei uns und jetzt besteht sein Geschäft doch schon seit 35 Jahren“) kann man jetzt die einschlägigen Vorschriften entgegen halten:

„Schleichwerbung in jeglicher Form ist verboten!“

Das galt ja schon immer aber jetzt hat man es endlich schwarz auf weiß. Das ganze Kodex-Getöse hat in den Redaktionen kein Erdbeben ausgelöst


Warum das ganze Projekt gerade jetzt in die Welt gesetzt wurde? Ich weiß es nicht. Auch dem Presserat liegen meines Wissens nach keine aktuellen Beschwerden über die WAZ vor. Sei es wie es sei, dann musste es eben einmal gesagt werden, dass wir in dieser Hinsicht sauber arbeiten.

Obwohl, es ist noch gar nicht so lange her, da zierte die Print-Titelseite ein überdimensionales Apple-Handy....

PS. Bei der Kodex-Präsentation konnte der geneigte Leser auf den Fotos erkennen, dass es die Westeins-Chefredakteurin tatsächlich noch hier gibt.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich halte das für eine vernünftige Maßnahme. Natürlich dürfte es bereits nach dem Kodex des Presserates solche Auswüchse in den Medien nicht geben. Die Praxis sieht aber, wie unzählige Beispiele zeigen, offensichtlich anders aus, zumal die gesetzliche Zugabeverordnung im Jahr 2001 aufgehoben wurde.
Wenn nun also ein Verlag eine interne Selbstverpflichtung eingeht, dann stellt er damit gegenüber allen Mitarbeitern klar, dass er da nicht mitmacht. Und die Redakteure können sich im Innenverhältnis besser gegen entsprechende Versuche von Anzeigenleuten wehren. Die wird es ganz sicher in jedem Medienhaus geben.
Es lässt sich darüber streiten, ob die Präsentation in dieser Größe hätte sein müssen. Und wenn, dann hätte das Foto deutlich besser sein müssen. Dieses ist nun wirklich grottenschlecht.

Anonym hat gesagt…

WAZsolls schrieb: "Bei der Kodex-Präsentation konnte der geneigte Leser auf den Fotos erkennen, dass es die Westeins-Chefredakteurin tatsächlich noch hier gibt."

Daß sie am Tisch neben den Eignerinnen sitzt, ist schon ganz richtig so. Begründung: Alle, die auf dem Bild nicht sitzen, sind gestandene Journalisten.

Anonym hat gesagt…

Kein Schleichwerbung? Ich lach' mich scheckig. Dann schaut mal in die heutige Stadtteilzeitung (29. Mai) für Borbeck. Der Beitrag über einen "Tag der offenen Tür" in einem Kosmetik-Institut ist Schleichwerbung und verstößt gegen das Wettbewerbsrecht.
Ich wette, man findet in älteren Waz-Ausgaben die entsprechende Anzeige zur offenen Tür!
Der Kodex ist nichts als bedrucktes (Alt)Papier.